1. Kapitel: Bettina Brentano
Wer sich ein Bild von dem Verhältnis zwischen Bettina Brentano und Karoline von Günderrode machen will, hat wenig mehr als das Briefbuch Die Günderode von 1840 zur Hand. Von der originalen Korrespondenz der Jahre 1804 bis 1806 sind nur neun Briefe erhalten. Wie umfangreich der Briefwechsel wirklich war, ist nicht bekannt. Von den Briefen, die in Die Günderode präsentiert werden, ist der Großteil von Bettina nachträglich verfasst worden.
Zwar verschafft uns das Briefbuch keinen zuverlässigen Einblick in die realen Gegebenheiten. Hinsichtlich der intimen Kommunikation ist der Vergleich mit den überlieferten Briefen jedoch höchst aufschlussreich. Die Günderode beschwört eine Nähe, ein nahezu bruchloses Einverständnis, für das es in den Briefen kaum einen Beleg gibt. Die „Bettine“ in den Briefen ist sich keineswegs sicher, wie ihr vertraulicher Ton von der Adressatin aufgenommen wird. Noch Ende 1805 – die Beziehung währte da schon fast zwei Jahre – wünscht sie, die „Wahrheit“ von Karolines „Gesinnung über [s]ich zu erfahren“, nicht ohne zugleich die Unabhängigkeit der „Wahrheit [ihres] Daseyns“ zu betonen. In der Tat könnte der Kontrast zwischen der Entblößung des eigenen Herzens und der undurchschaubar sich gebenden Lakonik des Antwortbriefs nicht größer sein.