Vitrine 5
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„Da ich nur zu schreiben vermag wenn eine gewiße Entzündung in mir statt hat, die Geist, Erinrung, combination
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u Einfälle hervorbringt, in Licht u Bewegung setzt. So stöhrt ein körperliches Hinderniß vollkommen diese ganze operation: ich habe keine fertige Gedankenpläne zur ausarbeitung in mir vor [eingefügt oberhalb: liegen]: sondern Einfall, Anregung, Gedanke, Ausdruk ist alles eine und dieselbe Explosion und ein Fluß. Hab’ ich nun eine schlechte Feder – die mich noch mehr irritiert – oder bin nerfenzitternd bis zur Bläue – welches nach der ersten Seite statthat – erhitzt, so wird Frase, wort, ausdruk, Gedankenform-reihe, periode, Ton, des Ganzen; kurz, holprig, fließend gelinde, oder streng, scherzend, ruhig: je nach dem. Und beynah immer brech ich mitten im Erguß, ihn selbst, oder seinen Ausdruk ab. Dieses für mich, große Übel hat auch dir oft die schönsten Briefe vorenthalten: u Einmal, Freundin! wollte ich es dir Dir doch vorskitziren (Jetzt eben ein Buch mit einen Billet! noch eine Einladung: ein Zettel von meinem Bruder. deutsche franz: Zeitungen: alles mir gebracht! dabey wählte ich einen günstigen Augenblik. V: hört Steffens jetz. Vorlesungen. du wirst sie angekündigt gelesen haben.) So hätte ich dir Vorgestern gewiß sehr gut geschrieben denn ich war ganz voll von Deinem Brief. Freundschaft ist kein leeres
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Wort! Goethe definiert sie in der Elegie (von Hermann und Dorothe an Wolf) so! ‚Freunde, Gleichgesinnte, nur herein!‘ und ewig frappirte mich dies Wort; u gleich, für ewig. Was sind Freunde? Gleichgesinnte. Und wo kann der Mensch, die Kreatur, am Ende, an dem Ende aller Dinge hin, als zum Geist der Geister. Ueber diese Gegenstände müssen Freunde – wie wir sind – sich besprechen; der Todt, als das Aufhöhren alles Seyn’s, welches aufhöhren kann; muß uns an das absolute mahnen, u dies an unsre höchsten Gedanken: u in u bey diesen, müßen wir Freunde, Gleichgesinnte haben; dies ist der höchste Punkt der Geselligkeit; u der tiefste: u daher der Quell; u das mobil aller, noch so geringfähig-scheinender. Also Liebe ist es natürlich u mit Recht, daß du an mich dachtest, als du dein Uebel für Ernst halten mußtest; u das ist mir ein großer Trost. Dazu ist Sprache; Mittheilung; u ihr Werkzeug, vernunft – ohne sie kein Verständigen keine Bürgschaft – u das Herz, die große Uhr die auf Wohl und Weh zeigt. Kurtz, das höchst-Menschliche und das Höchste für den Menschen. pauvre humanité! sagt Mam Stael. Laß diese Männerworte (olle Definitionen!) wie sie mir gerathen sind: dir als
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Zärtlichkeiten dienen! Es geht! da du weißt daß ich auch zärtlich bin. Gewiß Liebe sara wäre ich gekommen so wie Du’s ernstlich wünschtest, u es dir wahrhaft Trost ist. Nur damals, als du schreiben wolltest, war ich selbst sehr übel. Doch ist es auch mir genug, daß du mich wolltest.“