Autorinnen der Romantik

Aufgedeckt!

In ferne Länder und phantastische Sphären führt uns Karoline von Günderrode. Sie war eine extrem produktive und weltoffene Autorin, die Mythen aus verschiedenen Kulturkreisen miteinander kombinierte. In dem Gedicht Adonis Todtenfeyer verbindet sie die griechische Mythologie mit einer Reflexion über Liebesschmerz.

Die Station zeigt den biografischen Hintergrund, die Beziehung zu Friedrich Creuzer, der die Veröffentlichung von Günderrodes Melete-Sammlung verhinderte. Das darin enthaltene Gedicht Adonis Todtenfeyer kann aber auch für sich allein sprechen. Man muss es nicht auf das Leben der Autorin beziehen. Es kreist um den prototypisch schönsten aller Männer: um Adonis. Mit dem Gedicht reagiert Günderrode auf zwei Adonis-Sonette von Creuzer. Er thematisiert darin den Tod von Adonis, der sich durch die tränenreiche Klage seiner Geliebten Aphrodite in eine Rose verwandelt. Creuzers Sonette zeigen, dass Trauer durch Poesie überwunden werden kann. Dagegen setzt Günderrode ein fulminantes Klage-Gedicht, das den Schmerz um die verlorene Liebe nicht enden lässt – und dieses Wehklagen auch nicht als rein weiblich begreift. Bei ihr wird die Liebe zur geschlechterübergreifenden Erfahrung, über die alle Menschen gleichermaßen trauern können.

Günderrodes Interpretation zeigt außerdem, dass sie eine genaue Kennerin der antiken Literatur war. Denn sie knüpft kunstvoll an einen späthellenistischen Autor namens Bion von Smyrna an. Auch bei ihm klagt nicht allein die verzweifelte Aphrodite, sondern mit ihr eine ganze Gemeinschaft. Dies greift Günderrode auf, indem sie zur gemeinsamen Klage aller Menschen über den Liebesschmerz aufruft. Ihr innovatives Spiel mit antiken Mythen wurde und wird allzu oft von biographischen Lesarten überdeckt. Ihre Texte werden häufig auf eine Darstellung von angeblich weiblichen Liebesschmerz und von intimer Todessehnsucht reduziert, nicht zuletzt, weil ihr Werk von Männern und ihren Perspektiven herausgegeben und kommentiert wurde. Die Vielfalt und Virtuosität ihrer Literatur kommt dabei zu kurz. Hören wir deshalb einmal Karoline von Günderrode selbst, die über den Tod des schönsten aller Männer dichtet. Wer hier klagt, dürfen Sie entscheiden:

Blinde sind es, die nicht sehen,

Nicht den tiefen Schmerz verstehen,

Nicht der Göttin Klag und Sehnen,

Ihre ungezählten Thränen,

Daß der süße Leib des Schönen

Muß dem kargen Tode fröhnen.


Laßt die Klage uns erneuern!

Rufet zu geheimen Feyern,

Die Adonis heilig nennen,

Seine Gottheit anerkennen,

Die die Weihen sich erworben,

Denen auch der Gott gestorben.


Brecht die dunkle Anemone,

Sie, die ihre Blätterkrone

Sinnend still herunter beuget,

Leise sich zur Tiefe neiget,

Forschend ob der Gott auf Erden

Wieder soll gebohren werden!