Goethes Elternhaus besaß keinen eigenen Garten, nur den Brunnenhof. Doch aus den rückwärtigen Fenstern hatte man einen weiten Blick über die Gärten der Nachbarn bis über die Stadtgrenze hinaus. Hier saß Johann Wolfgang gern, lernte seine Lektionen und beobachtete das Wetter. Allerdings besaß Familie Goethe Gärten und einen Weinberg vor den Toren der Stadt, die gerne aufgesucht wurden.
Im zweiten Stock befand sich ein Zimmer, welches man das Gartenzimmer nannte, weil man sich daselbst durch wenige Gewächse vor dem Fenster den Mangel eines Gartens zu ersetzen gesucht hatte. Dort war, wie ich heranwuchs, mein liebster, zwar nicht trauriger, aber doch sehnsüchtiger Aufenthalt. Über jene Gärten hinaus, über Stadtmauern und Wälle sah man in eine schöne fruchtbare Ebene; es ist die, welche sich nach Höchst hinzieht. Dort lernte ich Sommerszeit gewöhnlich meine Lektionen, wartete die Gewitter ab, und konnte mich an der untergehenden Sonne, gegen welche die Fenster gerade gerichtet waren, nicht satt genug sehen.
Goethe: Dichtung und Wahrheit, I. Teil, 1. Buch