Zimmer der Frau Rath
Über einem kleinen Schreibtisch, auf dem ein Nähkästchen steht, hängt das Porträt von Goethes Mutter. Es ist ein Pastellbild von Georg Oswald May aus dem Jahr 1776. Catharina Elisabeth Goethe ist im Alter von 45 Jahren darstellt, mit einer Haube, wie verheiratete Frauen sie zu tragen pflegten.
Catharina Elisabeth, 1731 geboren, war die Tochter des Stadtschultheißen Textor. Sie ging mit 17 Jahren ohne nennenswerte Bildung in die Ehe, eignete sich aber einen weiten Horizont an. Die Frau Rat oder Frau Aja, wie man sie liebevoll nannte, besaß Charakter, einen frischen Humor, Wärme und viel Lebensklugheit. Goethe fühlte sich von ihrem spontanen, emotionalen Wesen sehr angezogen. Lebenslustig wie sie war, ging sie gern ins Theater und hegte eine Vorliebe für Schauspielerkreise. Sie selbst hat sich in einem Brief so beschrieben: „Von Person bin ich ziemlich groß und ziemlich korpulent, - habe braune Augen und Haar, - und getraute mir die Mutter von Prinz Hamlet nicht übel vorzustellen.“
Nach dem Tod ihres Mannes blieb sie bis 1795 in dem Haus am Hirschgraben, verkaufte es dann aber, weil sie es allein nicht mehr bewirtschaften konnte. Sie zog in eine kleine Wohnung am Roßmarkt, wo sie 1808 starb.
Sie sagte dann wohl, daß sie sich in ihrem ganzen Leben nicht mit der ordinären Tagsweise habe begnügen können, daß ihre starke Natur auch wichtige und tüchtige Begebenheiten habe verdauen wollen und daß ihr dies auch in vollem Maße begegnet. Sie sei nicht allein um ihres Sohnes Willen da, sondern auch ihr Sohn um ihretwillen …
Goethe: Biographische Einzelheiten. Aristeia der Mutter (GH-Führer, 1999, S.68)