Romantik-Ausstellung

1796 erschien anonym das Buch Herzensergießungen eines kunstliebenden Kloster­bruders der Freunde Wilhelm Heinrich Wackenroder und Ludwig Tieck. Neben der Titelseite ist ein Bildnis des Renaissance-Malers Raffael zu sehen, bezeichnet als: „Der Göttliche Raphael“. Vorlage war ein Selbstporträt Raffaels aus dem Jahr 1506.

In den Herzensergießungen versammelt ein alter, kunstsinniger Klosterbruder, also ein Mönch, Künstlergeschichten, Kunstbetrachtungen und Legenden. Im Zentrum seiner Betrachtungen steht die Renaissance mit den Künstlern Raffael, Michelangelo und Dürer.

Die Rolle des Künstlers erfährt in dem Buch eine Neubewertung. Wurde die Malerei jahrhundertelang als Handwerk angesehen, mit der die adeligen oder kirchlichen Auftraggeber zufriedengestellt werden mussten, boten die Herzensergießungen eine neue Sicht: Künstler zu sein wurde als göttlich inspirierte Lebensform angesehen, ein Gedanke, der bis in die Gegenwart fortwirkt. Die Religion wird in den Herzensergießungen eng mit der Kunst verbunden.

Die geradezu zärtliche Sprache der Herzensergießungen zeigt, dass der Zugang zur Kunst eine persönliche Angelegenheit ist. Die Station veranschaulicht diesen besonderen Tonfall, indem charakteristische Formulierungen aus dem Buch über die Wand fließen: „pochendes Herz“, „göttliche Bilder“, „seelenvoller Ausdruck“ usw.

Für viele Künstler waren die Herzensergießungen eine Offenbarung. Raffael, Michelangelo und Dürer wurden als Ideale verehrt, Renaissance und Mittelalter zu verklärten Kunstepochen und Italien zum Land der Sehnsucht. Diese Entwicklung ist in Bildern der Romantik noch lange sichtbar.

Bildnisse von Raffael wurden traditionell geschätzt, nach der Veröffentlichung des Buchs stieg die Anzahl seiner Porträts und die Vielfalt ihrer Darstellungsweisen noch einmal deutlich an. So entstanden etwa Abbildungen zu seinem Leben, sein Bildnis wurde in andere Gemälde eingefügt und manche Künstler stellten sich sogar selbst nach dem Vorbild Raffaels dar. Das 1839 entstandene Ölgemälde Erinnerung an Rom II von Carl Gustav Carus steht in dieser Tradition. Es zeigt im Vordergrund Raffael und Michelangelo, die im Abendlicht auf Rom und den Petersdom schauen. Carus lässt hier Realität und Ideal zusammenfließen, denn beide Künstler haben am Petersdom mitgewirkt, das Bauwerk jedoch nie vollendet gesehen. In diesem Gemälde gehen Natur und Kunst, die in den Herzensergießungen „zwei wunderbare Sprachen“ genannt werden, eine ideale Verbindung ein.