Romantik-Ausstellung

France Prešeren und die slowenische Romantik

Im Jahr 1834 wurden zwei Sonettzyklen von Prešeren erstmals veröffentlicht. Der erste – Sonetje nesreče (Sonette des Unglücks) – behandelt die Endlichkeit der Freude beim Einzelnen, bei jedermann (in dieser Rolle tritt ein romantischer Reisender auf) und in der Natur bzw. in allem, was lebt. Als letzte Lebensstation zeigt sich zunächst das Unglück, dann der Tod und schließlich eine Existenz jenseits von Empfindungen. Der Zyklus aus sechs Sonetten, in dem sich die Perspektive zunächst von einem biografisch erkennbaren Individuum – dem Autor – auf alles Lebendige ausdehnt und sich dann zu einer existenziellen Unglückserfahrung verschärft, findet thematisch in den Poezije (Poesien) seinen Abschluss, genauer im Sonett Memento mori, das große Aufmerksamkeit erregte. Einige von Prešerens Bewunderern, darunter auch der Handelsminister der Wiener Regierung, Felix Pino Freiherr von Friedenthal, übersetzten es ins Deutsche.

Prešeren verstand die anspruchsvolle Form des Sonettkranzes als Gelegenheit, seine eigene Liebe, sein Poesieverständnis, sowie seine Reflexionen über die slowenische Geschichte und die Emanzipationsbemühungen seiner Landsleute zu einer Gesamtheit zu verbinden. Durch seine strenge Form schließt sich der Zyklus, der weder Paradoxien noch schmerzhaften Punkten ausweicht, zu einem harmonischen Ganzen. Zum Eindruck, den dieser Sonettkranz hinterlässt, trägt auch das sogenannte Meistersonett bei, das die Anfangsverse aller vorheriger Gedichte verbindet.

Die von Fjodor Jewgenjewitsch Korsch angefertigte Übersetzung von Prešerens Sonettkranz ins Russische war der erste Sonettkranz in der russischen Literatur überhaupt. Der siebenteilige Zyklus Gazele (Ghaselen) wurde 1833 von Prešeren veröffentlicht. Die im habsburgischen Mitteleuropa bis dahin unbekannte orientalische poetische Form der Ghasele – sie wurde auch von dem in Ljubljana als Verwaltungsbeamter tätigen deutsch-österreichischen Dichter Franz Hermann von Hermannsthal eingeführt – gab Prešeren Gelegenheit zu einem sanft liebevollen und gleichzeitig selbstbewussten dichterischen Bekenntnis. Die Texte thematisieren im Rahmen der neuen Gedichtform auch den Gegensatz zwischen kleinlicher Realität einerseits und außergewöhnlicher Kreativität und Liebe andererseits. Prešeren verteidigte seine dichterische Souveränität bis zum Schluss. Am prägnantesten tat er dies in dem parabelartigen Gedicht Orglar (Organist), das im Mai 1845 erschien.