1831 erschien in London eine neu bearbeitete Ausgabe des Schauerromans Frankenstein: or, The modern Prometheus von Mary Shelley. Erstmals weist sie auch eine Illustration auf: Zu sehen ist der dramatische Moment, in dem die künstlich erschaffene Kreatur zum Leben erwacht und ihr Schöpfer Viktor Frankenstein entsetzt flieht. Die Zeichnung schuf der britische Künstler Theodor von Holst, der hierfür Elemente aus seinen Faust-Illustrationen übernahm.
Die erste Auflage des Buches war 1818 noch anonym erschienen. Entstanden ist die Geschichte im kalten, von Unwettern geprägten Sommer 1816, als in der Villa Diodati am Genfer See eine britische Dichter-Clique zusammenkam: Lord Byron und sein Arzt John Polidori, dazu Percy Bysshe Shelley mit seiner Geliebten und späteren Ehefrau Mary Shelley geb. Godwin sowie deren jüngerer Schwester Claire Clairmont. Man vertrieb sich die Zeit mit Rauschmitteln und gruseligen Märchen aus Deutschland, die man in französischer Übersetzung las. So inspiriert beschloss man, in einem Wettbewerb die beste Gespenstergeschichte zu ermitteln. Eine Frau, die 18-jährige Mary Shelley, stellte die anwesenden Dichter in den Schatten. Sie schuf mit Frankenstein oder der moderne Prometheus den Schöpfungsmythos der modernen Zeit aus dem Geist der Romantik. Ähnlich wie die antike Gestalt Prometheus, die Menschen aus Lehm geformt und ihnen das göttliche Feuer gebracht hatte, entwirft Shelley Frankenstein als einen von Wissensdrang getriebenen Forscher, der ohne Skrupel aus Leichenteilen einen neuen Menschen erschafft. Dieser wird zum Musterbeispiel des furchteinflößenden Monsters, obwohl er geistig hoch entwickelt ist, sich u.a. mit Goethes Die Leiden des jungen Werthers selbst erzieht und lesen lernt. Auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse, wie Elektrizität und Galvanismus, fließen in Shelleys Text ein. Ihre Erzählung stellt die noch heute aktuelle Frage: Darf ein Wissenschaftler gottgleich über Leben und Tod entscheiden?
In der produktiven Stimmung am Genfer See entstand auch die Erzählung The Vampyre. Autor war nicht Byron, sondern dessen Arzt Polidori, der damit einen neuen Vampir-Typus schuf, der so war, wie sich die Öffentlichkeit Lord Byron vorstellte: ein aristokratischer Verführer, ebenso attraktiv wie furchteinflößend, rastlos und an keinen Ort gebunden.
Polidoris Erzählung erschien ohne Wissen des Autors 1819 in einer Zeitschrift, gekennzeichnet als Werk Byrons, da der Verleger sich davon bessere Einnahmen erhoffte. Diese falsche Zuschreibung wirkte lange nach, obwohl beide Autoren sich sofort um eine Richtigstellung bemühten. Der Beliebtheit tat das keinen Abbruch, im Gegenteil: Selbst Goethe bezeichnete das Buch als „Byrons bestes Product“.
1828 brachte der Komponist Heinrich Marschner den Vampyr als romantische Oper auf die Bühne. In der Vitrine ist das Regiebuch zur Frankfurter Aufführung 1832 zu sehen. Mary Shelleys und John Polidoris Monster eroberten aber nicht nur das Theater, sondern dann auch das Kino, wie die Ausschnitte in der Videoinstallation im Raum nebenan zeigen. Solche Verfilmungen prägen unsere Vorstellungen bis heute, wie z.B. die äußere Gestalt des Frankenstein-Monsters oder dessen Erweckung zum Leben durch den berühmten Blitzeinschlag – eine Szene, die in Mary Shelleys Roman gar nicht vorkommt.
Revised, Corrected, and Illustrated with a New Introduction, by the Author. London: Colburn and Bentley; Edinburgh: Bell und Bradfute; Dublin: Cumming 1831 (Bentley’s Standard Novel 9). 3. Ausgabe. Frontispiz und Titelvignette von Theodor von Holst.
Leipzig: Hartmann 1828. Durchschossenes Textbuch (Regiebuch) der Frankfurter Oper, 1832. Leihgabe der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg, Frankfurt am Main.
Übersetzt von Christian Karl Meissner. Zwickau: Schumann 1821. Zusammengebunden mit Lord Byron’s Poesien, Bände 4 und 6. (Taschenbibliothek der ausländischen Klassiker, in neuen Verdeutschungen 15–17.)