In der Vitrine dieser Station befindet sich ein Brief, der im Sommer 1794 geschrieben wurde. Am oberen Rand stehen Ort und Datum, am Schluss der Mitteilung die Unterschrift. Die Anrede „meine Liebe“ ist in den Text hineingenommen. Geschrieben wurde der Brief in der sogenannten Kurrentschrift, einer lange Zeit verbreiteten Schreibschrift.
Wilhelm Heinrich Wackenroder ist der Schreiber. Er hatte mit seinem Studienfreund Ludwig Tieck gerade eine Wanderung durch das Harz-Gebirge gemacht, bei der beide streckenweise auch mit Pferden unterwegs waren; nun befand er sich im nahegelegenen Göttingen. Im Brief geht er auf die Tour näher ein: "Die Natur war unser Hauptzweck bey der Reise; Bergwerke, und alles Nützliche u Lehrreiche, wie man es nennt, haben wir vernachläßigt." Die beiden jungen Männer unternahmen also eine Bildungsreise der anderen Art: Wir „freuten uns der romantisch einsamen Plätze“.
Das Wort ‚romantisch‘ fällt hier besonders auf. ‚Roman‘ steckt in ‚romantisch‘, das Wort bedeutete zunächst ‚wie in einem Roman‘. Damit verband man vor allem im abwertenden Sinn frei erfundene Geschichten und unwahrscheinliche Begebenheiten. Aber das änderte sich mit der Zeit: Es setzte, zuerst in England, eine Aufwertung des Erfundenen und Wunderbaren ein. Am Ende des 18. Jahrhunderts, also zur Entstehungszeit des Briefes, erfuhr die Einbildungskraft zunehmende Wertschätzung: ‚Romantisch‘ stand nun für eine Wahrnehmung der Welt, die von Gefühl und Fantasie geprägt war. Der Begriff wurde geradezu zum Erkennungswort für diese Haltung.
Bis heute sind die Wörter ‚Romantik‘ und ‚romantisch‘ in Gebrauch. Die Fülle an Begriffen und Bedeutungen, die im Alltag mit diesem Wortfeld verbunden werden, zeigt die Wandgestaltung. Sie lädt auch zu eigenen Überlegungen ein, was man sich bei den Begriffen ‚romantisch‘ und ‚Romantik‘ denkt.
Die Empfängerin von Wackenroders Brief war übrigens Sophie Tieck, die Schwester seines Freundes Ludwig. Indem Wackenroder sie per Brief an dem Erlebnis teilhaben lässt, erweitert er den Freundschaftsbund der beiden Männer um eine Frau. Und damit sind zwei weitere wichtige Themen der Romantik angesprochen: die Freundschaft und das Verhältnis der Geschlechter zueinander.