France Prešeren und die slowenische Romantik
Der Biografie von France Prešeren näherte man sich sowohl zu seinen Lebzeiten als auch später, als er bereits als unbestreitbarer Klassiker der slowenischen Literatur galt, durch sein literarisches Werk an. Bei seinen Zeitgenossen hatte er den Ruf eines „Dichters der Liebe“. Seine Verse wurden nicht nur als Bekenntnis, sondern auch als autobiografische Botschaft verstanden.
Das Sonett über Prešerens erste Begegnung mit seiner großen Liebe Julija Primic, das mit dem Vers Je od vesel’ga časa teklo leto (in etwa: Seit der fröhlichen Zeit ist ein Jahr vergangen) beginnt, wurde erstmals in der Sammlung Poezije (Poesien) veröffentlicht. Das Buch war als eine Art Enzyklopädie des Lebens und der literarischen Schaffenserfahrung des Autors konzipiert. Das Gedicht über die schicksalhafte Begegnung wurde unmittelbar vor dem Sonetni venec (Sonettkranz) platziert, dessen 14 Sonette jeweils mit einem Buchstaben beginnen, die zusammengesetzt den Namen seiner unerfüllten Liebe (Primicovi Julji) enthüllen. Allerdings entspricht das von Prešeren angegebene Datum ihrer ersten Begegnung im Jahr 1833 in Tag und Monat genau dem Zeitpunkt, an dem Petrarca 1327 seine Laura zum ersten Mal erblickt haben soll, was bedeutet, dass es hierbei auch um die Erschaffung einer literarischen Autobiografie und eine romantische Verbindung zur Vergangenheit gehen kann.
Das Sonett mit dem Titel Marskteri romar gre v Rim, v Kompostelje (So mancher Pilger geht nach Rom, nach Compostela) entstand nach dem im Februar 1834 veröffentlichten Sonettkranz. Die Anfangsbuchstaben der einzelnen Verse bilden den Namen Matevzu Langusu (ein sogenanntes Akrostichon) und verraten den Namen des Malers, der die Auserwählte des Dichters porträtierte. Prešeren sah sich das Werk im Atelier an. Die Distanz zur Geliebten wird auch durch die Verwendung von Metaphern angedeutet, die die barocke Gefangenschaft in Gegensätzen und Widersprüchen heraufbeschwören.
Hingegen versucht das erstmals im Juni 1842 veröffentlichte Gedicht Zgubljena vera (Verlorener Glaube) nicht, im Bewusstsein des Lesers irgendeinen historischen Stil zu evozieren. Ganz im Gegenteil: Es handelt sich um eine Thematisierung der Liebe jenseits von Idealisierung und romantischer Verzückung. Statt zur Gottheit wird die Auserwählte zu einem bloßen „schönen Ding“.
Die Veränderungen in Prešerens Wahrnehmung der Liebe deuten auf Verschiebungen in seinem Verständnis von Poesie hin: der Dichter fungiert nicht allein als Narrator von Emotionen, sondern als Erforscher seiner eigenen Erfahrung und Existenz. In seinem Werk, das nicht davor zurückschreckt, innere Widersprüche zu erkunden, sprach er sogar zweimal vom „Lebensekel“, das heißt von einem Dasein, das auf bloßes Durchhalten jenseits von Freude und Trost begrenzt ist.