Die Projekte

In zwei Forschungsprojekten wurden von der Historikerin Dr. Anja Heuß die Erwerbungen des Freien Deutschen Hochstifts in der Zeit des Nationalsozialismus überprüft.

Im ersten Projekt wurde von Januar 2019 bis September 2021 die Herkunft der Kunstwerke (Gemälde, Grafiken, Plastiken, Münzen) untersucht. In einem zweiten Projekt wurden vom Oktober 2021 bis Juli 2024 die Ankäufe von Handschriften geprüft. Beide Projekte zur systematischen Erforschung der Erwerbungen in der Zeit des Nationalsozialismus wurden vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste mit Sitz in Magdeburg gefördert.

Provenienz = Herkunftsgeschichte

Die Provenienzforschung untersucht die Herkunft eines Kulturgutes mit dem Ziel, dessen Erwerbungsgeschichte möglichst lückenlos darzustellen. Sie beschäftigt sich mit den Besitzern der Objekte, recherchiert ihre Biografien, erstellt ein Sammlungsprofil und untersucht die Umstände, die zur Auflösung der Sammlung geführt haben.

Schwerpunkt NS-Raubgut

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden zahlreiche Personengruppen aus ideologischen Gründen verfolgt; darunter befanden sich vor allem Personen, die nach der nationalsozialistischen Ideologie als Juden galten. Es wurden jedoch auch Personen wegen ihrer politischen und religiösen Überzeugung verfolgt, wie zum Beispiel Kommunisten, Sozialisten, Freimaurer und die Zeugen Jehovas. Diese Personen trennten sich meist nicht freiwillig von ihren Kunstwerken: Entweder sie gaben sie in den Kunsthandel, um ihren Lebensunterhalt oder ihre Emigration zu finanzieren, oder die Kunstwerke wurden direkt von Stellen der NSDAP oder des Deutschen Reiches beschlagnahmt.

Auftrag und Grundlagen

Am 3. Dezember 1998 wurde auf der Washington Conference on Holocaust-Era Assets eine Erklärung mit 11 Prinzipien zum Umgang mit NS-Raubkunst verabschiedet. Darin werden die kultursammelnden Institutionen weltweit aufgefordert, geraubte Werke in ihren Sammlungen zu identifizieren, transparent damit umzugehen, die Erben ausfindig zu machen und mit ihnen eine „faire und gerechte Lösung“ zu finden. Mit der „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ vom 9. Dezember 1999 wurde ein breiter Konsens für die Rückgabe von entzogenem Kulturgut geschaffen. Diese Rückgaben finden auf der Basis des „Goodwill“ statt und lassen eventuell bestehende juristische Verjährungsfristen unberücksichtigt. Seitdem werden Projekte zur Provenienzprüfung in zahlreichen Museen und Bibliotheken mit Mitteln des Bundes, der Länder und der Kommunen durchgeführt.

Das Freie Deutsche Hochstift hat sich 2018 dieser besonderen Verantwortung gestellt und sieht es als seine Pflicht an, den eigenen Bestand auf unrechtmäßig erworbene Kulturgüter zu untersuchen. Gerade in der Stadt Frankfurt am Main mit seinen zahlreichen jüdischen Stiftern und Mäzenen, die auch das Freie Deutsche Hochstift förderten, ist es dem Hochstift ein dringendes Anliegen, NS-Raubgut in seinen Sammlungen zu identifizieren. Sofern es sich zweifelsfrei um einen Restitutionsfall handelt, werden die Erben aktiv gesucht und kontaktiert, um eine faire und gerechte Lösung im Sinne der Washingtoner Konferenz zu finden.

Wie geht das?

Bei den Recherchen werden zahlreiche Quellen hinzugezogen und zusammengeführt: zunächst die bereits vorhandenen Informationen in der Überlieferung des Freien Deutschen Hochstifts. Dazu werden Inventarbücher, Inventarakten und Bestandskataloge überprüft, Sekundärliteratur hinzugezogen sowie die Kunstwerke selbst begutachtet. Sofern sich Provenienzmerkmale auf ihnen befinden, also Sammlerstempel, Aufschriften, Zollstempel oder ähnliches, werden diese fotografiert und ausgewertet.

In einem zweiten Schritt werden Akten in öffentlichen Archiven ausgewertet, zum Beispiel Akten des Magistrats der Stadt Frankfurt, der Reichskulturkammer und der Finanzbehörden aus der Zeit des Nationalsozialismus sowie Wiedergutmachungsakten aus der Zeit nach 1945.

Zahlreiche Quellen können mittlerweile digital recherchiert werden. So können zum Beispiel Auktionskataloge aus der Zeit 1901 bis 1945 aus dem gesamten deutschsprachigen Raum online eingesehen werden.

Was wurde geprüft?

Im Rahmen des ersten Forschungsprojektes wurden alle Erwerbungen von Kunstwerken in der Zeit 1933 bis 1945 überprüft. Dazu gehören Gemälde, Zeichnungen, Plastiken, Münzen und Medaillen. Nicht überprüft wurden die Druckgrafiken und Fotos, da es sich hierbei nicht um Unikate handelt. Ebenfalls wurden Kunstwerke nicht einbezogen, die heute nicht mehr im Bestand sind, weil sie zum Beispiel kriegsbedingt verloren gingen.

Im zweiten Forschungsprojekt wurden die Erwerbungen von Handschriften in der Zeit des Nationalsozialismus überprüft. Nicht überprüft wurden dabei Faksimiles.

Das Ergebnis

Insgesamt wurden in der Zeit des Nationalsozialismus 227 Kunstwerke erworben. Davon weisen 21 Gemälde und Grafiken entweder eine problematische Provenienz auf oder es besteht zumindest ein begründeter Verdacht auf eine verfolgungsbedingte Entziehung. Es handelt sich damit um 9,25% der Erwerbungen in der Zeit 1933 bis 1945. Bei den Münzen, Medaillen und Plastiken fanden sich keine Verdachtsfälle.

Ferner wurden in der Zeit des Nationalsozialismus 736 handschriftliche Dokumente (Briefe, Manuskripte, Stammbücher) erworben, die im Rahmen des geförderten Projektes untersucht wurden. Größere Konvolute stammen aus dem Eigentum der Familie Brentano und dem Eigentum von Robert Heuser, einem Nachfahren von Cornelia Goethe; diese Erwerbungen sind unproblematisch. Die Provenienz von insgesamt 20 Handschriften ist dagegen bedenklich, es handelt sich damit um 2,7% der Erwerbungen in der Zeit 1933 bist 1945.

 

Das gesamte Konvolut der geprüften Werke finden Sie auf der Website museum digital.

 

Literatur

 

Weiterführende Links 

museum digital: Systematische Provenienzforschung der Bestände im Bereich Kunstsammlungen des Freien Deutschen Hochstifts

museum digital: Systematische Erforschung der Provenienzen der Autographen und handschriftlichen Nachlässe im Freien Deutschen Hochstift

Deutsches Zentrum Kulturgutverluste

Lost Art-Datenbank Deutsches Zentrum Kulturgutverluste

Universitätsbibliothek Heidelberg Auktionskataloge – digital

Das Forschungsprojekt wird gefördert vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste

KONTAKT

Dr. Mareike Hennig

Leiterin Goethe-Haus, Goethe-Galerie und Kunstsammlungen

Tel.: +49 (0)69 138 80-281
mhennig (at) freies-deutsches-hochstift.de

Dr. Konrad Heumann

Leiter Handschriftenabteilung

Tel.: +49 (0)69 138 80-244
kheumann (at) freies-deutsches-hochstift.de

Dr. Anja Heuß

Provenienzforschung

Tel.: +49 (0)69 138 80-230
aheuss (at) freies-deutsches-hochstift.de
Bürozeiten: (bis einschließlich 31.08.2024)